Wichtige Informationen zum Bürgerentscheid am 13. Juli über die Planung von sieben Windkraftanlagen im Herrenberger Spitalwald

Der NABU Gärtringen-Herrenberg-Nufringen ist wie der Landesverband gegen den Bau der Windräder an diesem speziellen Standort. Im Folgenden stellen wir fundierte Infos als Entscheidungsgrundlage für die Wahl am 13. Juli zur Verfügung. Im Gäuboten erscheint am 28. Juni unser Flyer als Beilage.

 

Gehen Sie zur Wahl und stimmen Sie mit JA für die Erhaltung des artenreichen Waldes mit seinen Brutvögeln und Fledermäusen und gegen die Gefährdung der Zugvögel, die regelmäßig über den Wald ziehen. Stimmen Sie mit JA für den Schutz des Trinkwassers in der Wasserschutzzone II.

Hier finden Sie das Wichtigste zusammengefasst in unserem Flyer zum Bürgerentscheid:

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Seit einiger Zeit beschäftigt uns die Planung des Windkraftausbaus. Aufgrund von §2 des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes hat der Ausbau der erneuerbaren Energien juristisch Vorrang gegenüber Problemen, die hinsichtlich Arten- und Naturschutz entstehen. Für gesetzliche Verbote bei Naturschutz  gibt es deshalb weitreichende Ausnahmegenehmigungen durch die Klimagesetzgebung. 

Wir sind der Meinung, dass Klima- und Artenschutz gemeinsam gedacht werden müssen. Nur intakte Ökosysteme mit großer Artenvielfalt auf genügend großer Fläche sind in der Lage, auf die Herausforderungen zu reagieren, die der Klimawandel mit sich bringt. In unserer dichtbesiedelten Region sollten z. B. wertvolle, artenreiche Wälder oder Gebiete, über die Vogelzugkorridore gehen, von der Planung ausgenommen werden. Eine weitere Zerschneidung von sensiblen Gebieten sollte vermieden werden. Die Vernetzung Ökologisch wertvoller Gebiete ist notwendig für den genetischen Austausch. Die Einbeziehung von Artenschutzexperten und Naturschutzverbänden wäre hier dringend notwendig, ist aber leider nicht vorgeschrieben. 

Auch in Wasserschutzgebieten der Engeren Zone II wird der eigentlich verbotene Bau von Windkraftanlagen durch Ausnahmeregelungen ermöglicht.

Jede Region (hier der Verband der Region Stuttgart) muss Vorranggebiete für den Ausbau der Windkraft festlegen. Die Fläche dieser Gebiete muss mindestens 1,8% der Region betragen. Die Flächenbesitzer können diese Flächen an Projektierer von Windkraftanlagen verpachten. Dort ist eine beschleunigte Planung möglich. Das Vorranggebiet im Wald zwischen Herrenberg und Jettingen ist mit BB-07 bezeichnet.

 

Stellungnahme Dr. Christoph Öhm-Kühle zu BB-07

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Stellungnahme Nabu BB-07 aktualisiert 25
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Gesetze

  • 1.

§ 2 EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) 2023:  

 

§ 2 Besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien

Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit.

Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.

Satz 2 ist nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung anzuwenden.

Information von IDUR (Informationsdienst Umweltrecht), IDUR-Schnellbrief Dezember 2023:
"Nach dieser Vorschrift wird dem Bau und Betrieb der Anlagen, die zur Energiewende für erforderlich gehalten werden, durch § 2 EEG ein "überragendes öffentliches Interesse" attestiert. Diese Gewichtungsvorgabe ist ... bei allen Abwägung- und Ermessensspielräumen zu berücksichtigen und führt i.d.R. zu Ausnahmen und Befreiungen von Verboten." Auch gravierende Artenschutzprobleme bei bestimmten Standorten verhindern den Bau eines Windparks in der Regel nicht.

 

Die Vorgehensweise der Genehmigungsbehörden (Immissionsschutzbehörde in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde des Landratsamts Böblingen)  wird bestätigt für das Vorranggebiet BB-07: Der Vorsitzende des NABU-Landesverbands schrieb an die Untere Naturschutzbehörde Böblingen mit ausführlicher artenschutzfachlicher Begründung, dass dieses Gebiet für einen Windpark nicht geeignet sei. Die Antwort der Zuständigen: Man werde nach Eingang eines Genehmigungsantrags nach den dann geltenden Gesetzen prüfen. 

 

Sobald die Vorranggebiete von der Regionalversammlung Stuttgart festgelegt sind (Dezember 2025), müssen keine  Gutachten mehr erstellt werden. Es genügt eine Strategische Umweltprüfung mit Daten, die der Genehmigungsbehörde vorliegen (Beschleunigung des Ausbaus).

 

 

  • 2.

§ 45b BNatSchG (Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes):

 

Im Umfeld von geplanten Windenergieanlagen gibt es regelmäßig artenschutzrechtliche Konflikte, besonders im Wald: Es werden Vorgaben für Ausnahmegenehmigungen vom Tötungs- und Verletzungsrisiko für Vögel und Fledermäuse beschrieben. 

Abschaltungen dürfen die Wirtschaftlichkeit der Windkraftanlagen nicht beeinträchtigen: Wenn der zu erwartende Ertrag um mehr als 4% sinkt, muss nicht mehr abgeschaltet werden ( Zumutbarkeit von Abschaltungen).

Nisthilfen für kollisionsgefährdete Vogel- und Fledermausarten dürfen im Umkreis von 1,5 km um ein Windrad nicht angebracht werden.

 

Konsequenzen der Gesetzesänderung:

Bei Artenschutzgutachten müssen nur die 15 politisch festgelegten Brutvogelarten untersucht werden und z.B. Abstände zu Horsten eingehalten werden. Alle anderen Arten, die ebenso gefährdet sind oder den Bereich um Windräder weiträumig meiden, sind nicht relevant. 

Vogelzugkorridore werden nicht untersucht, obwohl aktuelle von professionellen Ornithologen geprüfte Daten auf Grundlage der Plattform ornitho.de vorliegen, die das eindeutig belegen, auch im Fall von BB-07. Registrierte Melder können Daten für einen bestimmten Ort auf dieser Plattform abrufen. Außerdem können Daten bei der Ornithologischen Gesellschaft Baden-Württemberg (OGBW) erworben werden.

Artenschutzfachliche Einwände in den Stellungnahmen zur 1. Offenlage der geplanten Vorranggebiete für Windkraft wurden regelmäßig nicht beachtet, sie wurden nicht "plausibilisiert", d.h. sie sind von Laien nicht überprüfbar und es gibt keine Daten dazu bei der LUBW (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz). Die Daten bei Behörden sind meist unvollständig und nicht aktuell.

Nach dem 3. Dezember 2025 (Beschluss der Vorranggebiete) müssen keine Gutachten mehr erstellt werden für den Bau innerhalb dieser Gebiete. Dagegen beim Bau außerhalb werden u.a. Artenschutzgutachten gefordert.

 

 

 

  • 3.

Wasserschutzverordnung des RP Tübingen § 4 S. 21-24

Die Wasserschutzverordnung besagt, dass in der engeren Zone II eines Wasserschutzgebiets weder gebaut noch gebohrt werden darf. Alle sieben Anlagen im Spitalwald liegen im Wasserschutzgebiet II. Es handelt sich um ein Karstgebiet mit meist nur wenig Erdauflage. Flüssigkeiten versichern sehr schnell bis ins Grundwasser, das bereits nach 34 Stunden in die Ammerquelle gelangt. Die Trinkwasserversorgung der Ammertal-Schönbuchgruppe zu der auch das Wasser aus dem Spitalwald gehört, versorgt 15 Gemeinden mit Trinkwasser. 

Das Umweltministerium hat eine Handreichung für Behörden und Projektierer herausgegeben, die die Möglichkeiten darstellt, auch in Wasserschutzgebieten II Windräder zu bauen.

Ein Hydrogeologisches Gutachten, das für den Jettinger Teil durchgeführt wurde, bestätigt das Risiko einer Grundwasserverunreinigung und schreibt aufwändige und teure Vermeidungsmaßnahmen vor. Auch ein Havariemanagement wird gefordert und eine Notfallwasserversorgung. Im Fall eines Brandes kann die Verunreinigung nicht verhindert werden.

Das Argument, dass auch eine Straße gebaut wurde, greift nicht. Eine Straße muss so angelegt werden, dass der Untergrund mit einem ausgelaufenem Kraftstoff u.ä. innerhalb einer angemessenen Zeit vollständig abgebaggert werden kann. Die Schadstoffe gelangen nur an eine begrenzte Stelle. Wenn dagegen die Gondel eines Windrads brennt, in fast 200 Meter Höhe, gibt es keine Möglichkeit, den Brand zu löschen. Schadstoffe werden in weitem Umkreis verteilt und gelangen ungehindert ins Grundwasser. Brände sind zwar selten, aber die Wahrscheinlichkeit erhöht sich mit der Anzahl der Windräder. 

Wegen der Gefährdung des Trinkwassers hat der Verband der Region Stuttgart das Vorranggebeit BB-07 zunächst halbiert und die in Zone II liegende Fläche gestrichen. Nachträglich wurde der Beschluss geändert und die Fläche wurde sogar geringfügig vergrößert. Auf Antrag von Kommunen kann die Entscheidung dem LRA als Genehmigungsbehörde überlassen werden. Im Fall von BB-07 hatte nach Aussage des Verbands der Region Stuttgart das LRA Böblingen keine grundsätzlichen Bedenken, Anlagen inWasserschutzzone II zu genehmigen. (6.6.2025 Online-Infoveranstaltung des Verbands der Region Stuttgart zur zweiten Offenlage).

 

Wir sind der Meinung, dass man gerade auch im Zuge des Klimawandels mit längeren Trockenzeiten und mangelnden Grundwasserreserven die Trinkwasserversorgung nicht zusätzlich gefährdet werden darf.

 

  • 4.

Hyperprivilegierung

Von Vorhabenträgern wird oft mit diesem Szenario gedroht: Wenn das Flächenziel von 1,8% nicht erreicht wird, kann unkontrolliert überall gebaut werden, nicht nur in Vorranggebieten.. 

Das gilt nicht in Baden-Württemberg: Hier kann  außerhalb von Vorranggebieten weiter ausgebaut werden, auch nach Erreichen des Flächenziels:

 

"Das Planungssystem in Baden-Württemberg ist auf eine Angebotsplanung durch die Regionalverbände ausgerichtet, die im Rahmen der Planungsoffensive ganz besonders geeignete Flächen als Vorranggebiete ausschließlich für die Windkraft-Nutzung und Freiflächen-PV reservieren.

Im Gegenzug tritt nicht, wie in anderen Bundesländern, auf allen anderen Flächen eine Ausschlusswirkung, das heißt ein Verbot für Windkraft ein. Das macht Genehmigungen von Anlagen außerhalb von Vorranggebieten möglich."  Neue Planhinweiskarten für Windkraft und Freiflächen-Photovoltaik: Baden-Württemberg.de

 

Für die Planung der Vorranggebiete wurden u.a. nur Abstand zu Siedlungen oder bereits bestehende Bebauungspläne berücksichtigt. Natur- und Artenschutz oder Wasserschutz wurden bei der Ausweisung nicht beachtet.

Wenn die Vorranggebiete endgültig feststehen (für die Region Stuttgart Anfang Dezember 2025), muss innerhalb dieser Gebiete nur noch eine strategische Umweltprüfung aufgrund von Behördendaten durchgeführt werden, keine Spezielle artenschutzfachliche Prüfung (SaP) oder andere Gutachten. Alle Gutachten und die Kontrolle von Auflagen werden vom Projektierer beauftragt. Hier besteht keine unabhängige Kontrolle. Beim Bau außerhalb dieser festgelegten Gebiete  gibt es strengere Auflagen mit Gutachten. 

 

 

  • 5.

Gutachten und Ausgleichsmaßnahmen

 

Bei Artenschutzkonflikten wird zwar eine Genehmigung des Baus nicht verhindert, aber es gibt Vorgaben, die angeordnet werden, um die angerichteten Schäden auszugleichen.

Das Problem ist, dass bei Gutachten zum Artenschutz nur auf sehr wenige Vogelarten geachtet werden muss, siehe oben. Es wurden 30 sogenannte windkraftsensible Brutvogelarten festgelegt, eine politische Entscheidung. Diese Liste wurde reduziert auf 15 Arten. 

Bei Verpachtung kann im Vertrag festgelegt werden, dass z.B. Artenschutzgutachten durchgeführt werden, obwohl es nicht Pflicht ist. Aber der Projektierer wird eine Fläche nur pachten, wenn er sicher sein kann, dass der Bau der geplanten Anlagen genehmigt wird und dass die Durchführung von aufwändigen Gutachten nicht dazu führt, dass der Windpark nicht gebaut werden darf.  Auch da helfen die Gesetze.

Da die Gutachten vom Projektierer beauftragt werden, ist nicht auszuschließen, dass sie im Sinne des Projektierers ausgeführt werden, eine Genehmigung befürwortet wird und die empfohlenen Auflagen nicht zu teuer werden. Hier gibt es keine unabhängige Kontrolle. 

Ein verpflichtendes Monitoring hinsichtlich Schlagopfern gibt es nicht.

 

Nach Festlegung der Vorranggebiete (in der Region Stuttgart ab 3.12.2025) müssen keine Gutachten mehr beauftragt werden. Es genügen die Daten, die der Genehmigungsbehörde vorliegen.

 

Ausgleich sollte im direkten Umfeld stattfinden. Ist das nicht möglich, kann eine Ausgleichszahlung an den Bund erfolgen. Das Geld soll für Artenhilfsprojekte verwendet werden. Diese Projekte können weit entfernt liegen und helfen nur wenigen Arten, die nicht unbedingt dieselben sind, die beim Bau am Ort gefährdet werden.

 

 

Kommentare zu Vogeltod durch andere Ursachen

 

Bei den Schlagopferzahlen an Windkraftanlagen handelt es sich nur um Schätzungen, die Dunkelziffer ist hoch. Eine Statistik gibt es beim Landesamt für Umwelt Brandenburg. Die  Schlagopferzahlen nehmen bei einigen Arten parallel zum Ausbau der Windenergie zu und sind z.B. in Niedersachsen und Brandenburg, wo bisher die meisten Windräder stehen, am höchsten.

 

 Der Tod von vielen Millionen Vögeln an Glasscheiben und -fassaden betrifft vor allem Kleinvögel mit mehrfachen Bruten im Jahr mit großen Gelegen. Großvögel wie Greifvögel oder Störche, Kraniche usw. spielen hier keine Rolle. Dieses Problem muss angegangen werden.

 

 Großvögel reproduzieren sich meist erst nach einigen Jahren und ziehen oft nur 1 bis 2 Junge groß. Außerdem sind viele dieser Arten bedroht oder sogar vom Aussterben bedroht. Wenn dann ein adulter Vogel umkommt, wirkt sich das auf die ganze Population aus, da er für die Fortpflanzung ausfällt. Da es oft ziehende Arten sind, kann eine ganz andere Region auch außerhalb Deutschlands betroffen sein. Windparks in Vogelzugrouten wirken sich besonders negativ aus.

 

 Es gibt nur eine politisch festgelegte Zahl von sogenannten windkraftsensiblen Brutvögeln. Sie wurde von 30 auf 15 reduziert. Nur diese Arten werden bei Artenschutzgutachten untersucht. Zugvögel spielen keine Rolle, obwohl bestimmte Routen seit langem und auch aktuell nachgewiesen sind. Die Daten sind in der Plattfom ornitho.de gesammelt. Die Meldungen werden täglich von Fachleuten kritisch geprüft und von der Ornithologischen Gesellschaft zusammengefasst. 

 

Abschaltsysteme können das Problem nicht lösen, besonders bei Vorliegen von Vogelzugkorridoren oder Rast- und Überwinterungsgebieten. Sie erfassen nur wenige Vogelarten. Die relativ zuverlässigen, die Rotmilan und Seeadler erkennen, sind teuer (ca. 300 000 €). Schnellfliegende Arten haben sowieso keine Chance (Baumfalke, Wanderfalke, Mauersegler u.a.). Die Abschaltsysteme für Vögel werden hier nicht eingebaut. 

 

Windparks decken mit ihren Rotoren noch höhere Luftraumbereiche ab, die vorher für Vögel ungefährlich waren und jetzt zu einer zusätzlichen Falle werden. Fast die Hälfte der ziehenden Kleinvögel zieht in Rotorhöhe. Bei Gegenwind und schlechter Sicht fliegen auch die Großvögel in Rotorhöhe.

 

Abschaltsysteme für Fledermäuse: Über ein Monitoringsystem (ProBat) werden die Kontaktrufe der Fledermäuse aufgezeichnet und die Flugzeiten erfasst. Aufgrund der Daten werden Abschaltzeiten festgelegt je nach Wetterverhältnissen. Pro Windrad sollen nach diesen Berechnungen nicht mehr als zwei Fledermäuse umkommen. Bei Schwerpunktvorkommen reichen die Abschaltzeiten nicht aus. Alle Fledermausarten sind bedroht oder vom Aussterben bedroht. Sie haben nur ein bis zwei Junge pro Jahr und leiden zudem unter dem Insektenmangel. Waldfledermäuse jagen auch im Offenland und Arten aus Siedlungen jagen im Wald.

 

 Außerdem sind die Abschaltungen gedeckelt, siehe Gesetze.  

 

Es stimmt, dass an Stromleitungen oder im Verkehr viele Vögel umkommen, auch Greifvögel wie der Mäusebussard. Viele Verkehrsopfer könnten vermieden werden, wenn Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt würden. An Stromleitungen sind Sicherheitsvorkehrungen nötig.

 

Hauskatzen und verwilderte Hauskatzen sind tatsächlich ein großes Problem, von dem einerseits  Arten der Siedlungsbereiche betroffen sind, die oft viele Junge haben und mehrfach brüten. Die verwilderten Katzen sind andererseits aber zusätzlich eine große Gefahr auch für bodenbrütende Arten. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass möglichst viele Gemeinden die Katzenschutzverordnung einführen.

 

Der Lebensraumverlust (Habitatrückgang) ist ein riesiges Problem, gerade in unserer dichtbesiedelten und zerschnittenen Landschaft. Ein Faktor ist die intensive Landwirtschaft.

 

Aber auch der geplante Ausbau der Erneuerbaren Energien trägt zur weiteren Einschränkung der Lebensräume bei, besonders durch die Freiflächenphotovoltaik. Davon sind die Feldvögel besonders betroffen, die von solchen Strukturen oft weiten Abstand halten. Deshalb fordern wir den vorrangigen Ausbau auf allen versiegelten Flächen. Auf größeren Parkplätzen ist das bereits gesetzlich vorgeschrieben.

Beim Bau von Windparks in artenreichen Wäldern sind nicht nur die relativ kleinen Standflächen entscheidend, sondern auch die weitere Zerschneidung des Lebenraums spielt eine große Rolle.  Die Zerschneidung und Zerstörung des Lebensraums und die Auswirkungen auch in weiterer Umgebung werden von Planern außer Acht gelassen. Es gibt abgesehen von den Auswirkungen auf ziehende und nahrungssuchende Vögel und Fledermäuse durch Vogelschlag oder Barotrauma auch für Brutvögel ein Meideverhalten z.B. wegen Lärm oder zu geringer ungestörter Restfläche. Neben Vogelzugkorridoren müssen laut LUBW auch Schwerpunktvorkommen von seltenen Brutvögeln und Fledermäusen beachtet werden laut LUBW. Wie erwähnt, wird Vogelzug nicht untersucht, viele ebnfalls betroffene Vogelarten werden nicht berücksichtigt. Deshalb sind Minderungsmaßnahmen gerade in diesen Fällen kein akzeptabler Ausgleich.

 

Windparks decken mit ihren Rotoren noch höhere Luftraumbereiche ab, die vorher für Vögel ungefährlich waren und jetzt zu einer zusätzlichen Falle werden.

 

Insgesamt ist es kein akzeptables Argument, zu sagen, es kommen sowieso durch andere Ursachen viele Vögel um und es kommt sozusagen nicht mehr drauf an, wenn noch einige mehr umkommen. Man muss auch bedenken, dass der geplante Ausbau erst ganz am Anfang steht.

 

 

Warum ist Artenschutz wichtig?

 

„Die Klimakrise bestimmt, wie wir leben werden. Die Biodiversitätskrise bestimmt, ob wir überleben werden.“

Dr. Johannes Vogel, Professor für Biodiversität, Berlin

 

Der NABU befürwortet den Ausbau der Erneuerbaren , legt aber Wert darauf, dass der Artenschutz unbedingt berücksichtigt wird.

Einige Standorte bedrohen besonders stark die Artenvielfalt und vom Aussterben bedrohte Arten. Diese Standorte müssen wegfallen.

Das Artensterben ist eine genauso dramatische Krise wie der Klimawandel. Beides muss zusammen angegangen werden. Das Artensterben nimmt rasant zu durch bereits geschehene Eingriffe. 20 % der Arten in Europa sind bedroht. Insgesamt gibt es 600 Mio. Vögel weniger als vor wenigen Jahrzehnten. Rote-Liste-Arten nehmen ständig zu. Deshalb müssen beim Ausbau der Windkraft fatale Standorte unbedingt vermieden werden. Leider wurde der Artenschutz bei der Auswahl der VRGs nicht berücksichtigt. 

Wegen allgemein nachlassender Artenkenntnis  wird das Artensterben meist nicht bemerkt, besonders ältere Personen nehmen es eher wahr, weil sie erlebt haben, dass es früher flächendeckend mehr Arten gab. Jüngere Leute sind mit den viel geringeren Vorkommen schon aufgewachsen (Shifting Baseline).

Exotische Arten, die bedroht sind, sind eher bekannt als Arten, die hier vom Aussterben bedroht sind, z.B. Feldhamster, Rebhuhn, Kiebitz, Wildbienen und viele andere, die früher nicht mal gezählt wurden, weil sie sehr häufig waren.

Biodiversität bedeutet Vielfalt von Lebensräumen, Artenvielfalt und genetische Vielfalt. Sie ist überlebenswichtig. In einem Ökosystem hängen alle Arten zusammen und ergänzen sich. Wenn das Gleichgewicht gestört wird, kann das ganze System zusammenbrechen. Der Mensch sieht sich nicht mehr als Teil dieses Systems, sondern hat vor allem in den letzten Jahrzehnten immer mehr in diese Systeme und Lebensräume eingegriffen und sie zerstört. Wenn jetzt durch Klimaschutzmaßnahmen an der falschen Stelle noch intakte Lebensräume geschädigt werden, kann das stellenweise ein ganzes Ökosystem an einen Kipppunkt bringen. Je mehr Arten in einem System leben, desto leichter kann es sich an Veränderungen anpassen. Es geht um die Funktion von Pflanzen und Tieren in einem Ökosystem. Biodiversität ist eine Überlebensfrage für die Menschheit. Intakte Ökosysteme mildern die Folgen des Klimawandels.

 

Wichtig ist uns auch, dass der Ausgleich für verlorengehende Waldteile durch Windkraftausbau im Wald nicht durch Aufforstung im Offenland ausgeglichen werden, sondern bereits vorhandene Waldareale ökologisch aufgewertet werden. Gerade in unserer dicht besiedelten Region, in der die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen, gibt es kaum noch größere Flächen, die dem Artenschutz vorbehalten sind, besonders im Offenland. Die nicht intensiv bewirtschafteten offenen Flächen ohne Gehölze (Extensivgrünland und ungenutztes Offenland) sind in unserer Region verschwindend gering:  nur 2500 ha (0,5 % bzw. 0,2 % der Flächen)). Gerade diese Flächen sind sehr wichtig für die Artenvielfalt und dürfen nicht aufgeforstet oder der Sukzession (spontane Verbuschung und Verwaldung) Zuwachsen) überlassen werden. Oft nicht bekannt ist, dass extensiv beweidete Gebiete mehr CO2 speichern als Wald.

 

Der Waldanteil nimmt ständig zu, da ehemals offengehaltene Areale bei Aufgabe der regelmäßigen Pflege spontan zuwachsen oder Gehölze ins Offenland gepflanzt werden. Deshalb sind Bodenbrüter wie Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn bei uns stark bedroht. Ausgleichszahlungen für Artenhilfsprogramme z. B. in östlichen Bundesländern hilft der Artenvielfalt bei uns hier leider nicht.

 

Auch für die Landwirtschaft ist die Flächenkonkurrenz besonders hoch. Das betrifft in besonderem Maß den Ausbau der Freiflächenphotovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen. Welcher Landwirt wird dann noch bereit sein, zusätzlich Flächen für der Artenschutz wie größere Dauerbrachen an geeigneter Stelle zur Verfügung zu stellen, auch wenn die Fördergelder hoch sind? Arten, die einen größeren Flächenanspruch vor allem im Offenland haben wie Rebhuhn, Kiebitz und Feldlerche, verlieren immer mehr geeigneten Lebensraum und sind vom Aussterben bedroht.

Große Solarfelder auf landwirtschaftlichen Flächen können je nach Lage wichtige Rast- und Überwinterungsplätze für Zugvögel unbrauchbar machen. Der Ausbau wird über Bebauungspläne geregelt.

 

 

Deshalb fordern wir, alle schon sowieso versiegelten Flächen wie Dächer, große Parkplätze u.ä. vorrangig mit Photovoltaik auszustatten. 

 

 

Im Übrigen ist der gesetzlich vorgeschriebene Ausbau der Freiflächensolaranlagen auf einem Flächenanteil von 0,2 % bereits seit Sommer 2024 erreicht, wird aber weiter vorangetrieben. Deshalb fordern wir, alle schon sowieso versiegelten Flächen wie Dächer, große Parkplätze u.ä. vorrangig mit Photovoltaik auszustatten. In der Region Stuttgart sind diese Flächen noch zu fast 90% nicht genutzt.

 

 

Beachtung von Fledermäusen beim weiteren Ausbau der Windenergie

 

Die öffentliche Debatte um den Windenergieausbau fokussiert aktuell in erster Linie auf den Konflikt zwischen Windenergieanlagen (WEA) und Vögeln. Die Konfliktlagen, die mit anderen Tiergruppen bestehen, werden in der Debatte weitestgehend ausgeblendet. Im Falle von Fledermäusen liegt dies vermutlich an der Annahme, mit Hilfe technischer Minimierungsmaßnahmen wie der Abschaltung von WEA seien die Konflikte in diesem Spannungsfeld gelöst. Dies ist allerdings ein Irrtum. Hinsichtlich des Fledermausschutzes werden in Deutschland einige artenschutzrechtlich bedenkliche Praktiken im Rahmen von Genehmigungsverfahren von WEA umgesetzt, die einer ökologisch nachhaltigen Energiewende widersprechen.

Standpunkt

Es ist unbestritten, dass der Ausbau der Windenergie im Ganzen als Teil der Energiewende dem Klimaschutz dient. Biodiversitäts- und Klimakrise sind aber zwei Krisen, die in ihrer ökologischen und gesellschaftlichen Bedeutung als gleichwertig zu behandeln sind. Die Klimakrise fördert zwar das globale Artensterben, die Hauptursache für die Biodiversitätskrise liegt aber in den von Menschen bewirkten weltweiten Landnutzungsänderungen. Da Klimaerwärmung und Biodiversitätskrise unterschiedliche Hauptursachen haben, sind die Ansätze zu deren Bekämpfung unterschiedlich. Genauso wie Naturschutz dem Klimaschutz dient, hilft ökologisch nachhaltiger Klimaschutz auch dem Naturschutz. Klimaschutz kann jedoch wirksamen Artenschutz nicht ersetzen. Im Falle der Fledermäuse ist es unklar, welche Auswirkungen der Klimawandel auf einheimischen Arten haben wird. Der Ausbau der Windenergie ist somit zwar als Klimaschutzmaßnahme zu werten, nicht aber als wichtigste Maßnahme zum Schutz von Fledermäusen oder gar der globalen Biodiversität, wie das regelmäßig in Diskussionen angeführt wird.

Der Zielkonflikt zwischen Naturschutz und Klimaschutz ist bei Planungen von WEA anzuerkennen. Er kann nur dann aufgelöst werden, wenn beiden Zielen gleichwertiger Raum gegeben wird. Auf Grund biologischer Besonderheiten und des hohen Schutzstatus der Fledermäuse besteht die Notwendigkeit einer umfangreichen Berücksichtigung von Fledermäusen bei der Planung und dem Betrieb von WEA.

 

Einleitungstext

 

NABU Bundesfachausschuss (BFA) Fledermäuse

Uwe Hermanns

Sprecher BFA Fledermäuse

 

BFA-Fledermausschutz@NABU.de

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, Betriebsbeschränkungen für Windkraftanlagen vorzunehmen, um Fledermäuse zu schützen. Der Rückgang der Fledermauspopulation in Deutschland, vor allem durch Windräder bedingt, erfordert dringende Artenschutzmaßnahmen. Das Urteil stützt sich auf das Bundesnaturschutzgesetz und verpflichtet zu strengeren Schutzvorkehrungen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Betreiber von Windrädern nachträglich eine Betriebsbeschränkung in Kauf nehmen muss, um Fledermäuse zu schützen. Die Fledermauspopulation ist in Deutschland stark zurückgegangen. Einer der Gründe: Windräder. Das Problem: Fledermäuse haben nur eine sehr geringe Fortpflanzungsrate, deshalb wirken sich Verluste unmittelbar auf die Heimatpopulationen aus. Diese erholen sich – wenn überhaupt – nur sehr langsam, schreibt der NABU. Viele Fledermäuse werden von den Rotorblättern von Windkraftanlagen erschlagen, ein anderer Teil fällt einem Barotrauma zum Opfer: Bedingt durch Verwirbelungen und den Druckabfall hinter den Rotorblättern platzen die Lungen und inneren Organe der Fledermäuse. Hochrechnungen gehen davon aus, dass bis zu 200.000 Tiere jährlich an deutschen Windenergieanlagen verunglücken, schreibt der NABU. Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschieden, dass der Betrieb von Windenergieanlagen nachträglich für einen besseren Artenschutz eingeschränkt werden kann.

An der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht ist nicht zu rütteln

Eine Klage eines Windkraftanlagen-Betreibers vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig blieb ohne Erfolg. Grundlage für die Entscheidung ist das Bundesnaturschutzgesetz, laut dem es unter anderem verboten ist, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu verletzen oder zu töten. Es handele sich dabei um eine „unmittelbare und dauerhafte Verhaltenspflicht“, die auch beachtet werden müsse,wenn Windenergieanlagen errichtet und betrieben werden.

22.12.2023

Betrieb von Windkraftanlagen darf nachträglich eingeschränkt werden - FOCUS online

 

Presse, Daten und Kommentare

Dashboard Windkraftausbau LUBW Stand 26.6.2025

 

 

Herrenberg 30.10.2024

Der NABU bekräftigt seine Ablehnung des Windparks im Spitalwald (BB-07)

Aktuell wird von den Planungswilligen und Befürwortern des Windparks im Spitalwald bei jeder Gelegenheit versucht, die Existenz des Vogelzugs über den Spitalwald in Frage zu stellen. So auch in der Richtigstellung zur Kranichmeldung von Herrn Ruß aus Jettingen vom 29.10. und in mündlichen Äußerungen von Vertretern der Stadt Herrenberg und des Landratsamts.

Dass dieses Jahr zum ersten Mal Kraniche über Herrenberg ziehen, stimmt nicht. In den letzten fünf bis zehn Jahren hat sich eine neue Hauptzugroute, die Ost-West-Route, entwickelt, die von Ungarn (Hortobagy) in Richtung Frankreich und Spanien führt, insbesondere über die Landkreise Böblingen, Ludwigsburg und Tübingen. Ein Schwerpunkt zeichnet sich am nördlichen Schönbuchrand über Nufringen - Herrenberg - Spitalwald ab. Die Zahl der durchziehenden Kraniche nimmt von Jahr zu Jahr zu. Da die Vögel oft auch nachts ziehen, wird ein großer Anteil nicht bemerkt. Inzwischen sind es einige tausend, die auf dieser neuen Route ziehen.

Herr Ruß, dessen Meldung mit Bild am 26.10. veröffentlicht wurde, berichtet, dass er in den letzten Tagen und Nächten oft die Rufe der ziehenden Kranichtrupps gehört hat, und zwar aufgrund seiner Wohnsituation genau aus der Richtung Spitalwald. Besonders bei schlechter Sicht, z.B. bei (Hoch-) Nebel, bei Gegenwind oder nachts, wären die Großvögel stark gefährdet durch Windräder, weil sie dann tief fliegen und auch dazu neigen, eine Weile am Ort zu kreisen.

Großvögel können sich erst im Alter von mehreren Jahren fortpflanzen und ziehen jährlich nur ein bis zwei Junge auf. Bei bedrohten Arten fällt jedes Individuum ins Gewicht, das für die Fortpflanzung eine Rolle spielt und an Windkraftanlagen umkommt.

Das Argument, auch neben dem Spitalwald würden Vögel ziehen, greift nicht, denn ein Zugkonzentrationskorridor kann selbstverständlich eine gewisse Breite einnehmen. In der Stellungnahme des NABU Gärtringen-Herrenberg-Nufringen (Dr. Öhm-Kühnle) werden im Zuge der Offenlegung der Vorranggebiete konkrete Beobachtungen der letzten Jahre von Zugvögeln über dem Spitalwald aufgelistet. Diese bilden aber nur einen kleinen Teil des Zuggeschehens ab, weil nur übers Wochenende an wenigen Stunden beobachtet werden kann. Auffallend sind beispielsweise auch Tage mit hohem Zugaufkommen von Wespenbussard und Schwarzmilan über dem Spitalwald. Stark bedrohte Arten wie Schlangenadler, Schwarzstorch, Kornweihe, Fischadler wurden nachgewiesen ebenso wie zahlreiche Singvögel und Tausende Ringeltauben. Schon bei Schubert „Vogelwelt in Schönbuch und Gäu“ (1983) wird der Schlossberg Herrenberg als besonderer Schwerpunkt für den Greifvogelzug erwähnt.

Der Vogelzug im Herbst und auch im Frühjahr zieht sich über viele Wochen hin bei Tag und Nacht, ist aber nicht immer gleichmäßig stark. Abschaltungen lassen sich also kaum vorherplanen und würden wegen der erforderlichen Dauer den Betrieb unrentabel machen. Abschaltvorrichtungen sowohl für Vögel wie für Fledermäuse unterliegen ohnehin keiner gesetzlichen Kontrolle. Außerdem müssen sie nicht aktiviert werden, soweit sie den Jahresenergieertrag um mehr als 4 % verringern. Das dient lediglich als Alibiargument.

Zusätzlich handelt es sich um einen artenreichen Wald mit vielen Nist- und Fortpflanzungsmöglichkeiten für seltene Brutvögel und vom Aussterben bedrohte Fledermäuse. Es handelt sich um sog. Schwerpunktvorkommen der Kategorie A und B von seltenen Brutvögeln und von Fledermäusen, bei denen die LUBW (Landesumweltbehörde Baden-Württemberg) einen Ausschlussgrund für Windkraftstandorte sieht. Hier brüten Pirol, Sperlingskauz, Waldschnepfe, Schwarzspecht, Rotmilan und andere. Ebenso gibt es Quartiere von mehreren Fledermausarten, die eine wichtige Funktion als Schädlingsbekämpfer ausüben. Sie bekommen nur ein Junges pro Jahr und sind durch Windräder sehr gefährdet. Schon der Verlust einzelner Tiere ist ein Problem für den Bestand einer Population.

Der Artenschutz darf neben dem Klimaschutz nicht vergessen werden. In Deutschland sind laut dem neuen „Faktencheck Artenvielfalt“ (Oktober 2024) ein Drittel der Arten gefährdet und 3% schon ausgestorben. Dazu ein Zitat von Johannes Vogel, Professor für Biodiversität in Berlin: „Die Klimakrise bestimmt, wie wir leben werden. Die Biodiversitätskrise bestimmt, ob wir überleben werden.“

Wir akzeptieren nicht, wenn die Waldfunktionen auf die CO2-Speicherung und die Holzgewinnung reduziert werden. Der ökologische Wert darf nicht ausgeklammert werden. Dieser Wald ist eben nicht nur Wirtschaftswald, sondern er enthält vielfältige wertvolle Strukturen und Biotope. Nicht ohne Grund werden regelmäßig gut besuchte Vogelstimmen- und Waldführungen angeboten. Ein funktionierendes Ökosystem mit vielen Arten wie hier macht den Wald klimaresistenter. Dass der Spitalwald durch den Ausbau nicht leiden soll, ist für uns nicht nachvollziehbar.

Bei Eingriffen, die bestimmten am Ort lebenden bedrohten Arten schaden, ist ein Ausgleich in räumlicher Nähe Pflicht. Es müssten Ersatzlebensräume angeboten werden, in denen noch freie Reviere vorhanden sind.

Bei Zugvögeln liegen die Brutgebiete dagegen oft weit weg in ganz verschiedenen Gebieten. Das lässt sich also hier nicht ausgleichen. In diesem Fall sind regelmäßige Ausgleichszahlungen an die Bundesregierung Pflicht.

Die Qualität von Gutachten müssen wir anzweifeln, denn bei der Flut von erforderlichen Untersuchungen gibt es nicht genügend Kapazitäten bei kompetenten Büros mit erfahrenen Fachleuten. Besonders für Zugvogelerfassungen gibt es nur wenige Experten, die zuverlässige Ergebnisse liefern können. Außerdem werden die Gutachten vom Betreiber beauftragt. Daher verwundert es nicht, wenn die Beteiligten schon jetzt zu wissen scheinen, dass keine Ausgleichszahlungen nötig sind und alles vor Ort ausgeglichen werden kann. Der Meinung kann man nur sein, wenn der Vogelzug ignoriert oder bestritten wird.

Die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Böblingen ist im Genehmigungsverfahren für die Beurteilung der Stellungnahmen und Gutachten zum Natur- und Artenschutz zuständig. Sie entscheidet aber nur nach formaljuristischen Kriterien, ob ein Gutachten plausibel erscheint. Die Genehmigungsbehörde ist das Amt für Bauen und Umwelt im Landratsamt Böblingen, Abteilung Immissionsschutzrecht/Windkraftstabsstelle. Auch sie entscheidet nach den Gesetzen, die dem Ausbau bei jeder Abwägung Vorrang geben.

Aus allen obengenannten Gründen betonen wir nochmals, dass wir wie schon in der Stellungnahme vom Januar den gesamten Standort BB-07 ablehnen, ebenso der Landesnaturschutzverband LNV, der BUND-Landesverband und der NABU-Landesverband. Bei diesem Standort kommen für uns keine Kompromisse in Frage.

 

Dr. Ulrike Kuhn, Yannick Mauch, Thomas Wappler, Juliane Sindlinger

 

Sprecherteam NABU Gärtringen-Herrenberg-Nufringen

 

 

Gäubote 05.12.2024. Zur Karte: Die geplanten Standorte der 7 Windräder auf Herrenberger Gemarkung sind eingezeichnet. Auf der  restlichen roten Fläche im Eigentum von ForstBW sind weitere 5 Windräder geplant, auf der blauen Fläche, beabsichtigt Wildberg (Region Nordschwarzwald), 2 Windräder zu bauen. Insgesamt sollen im Spitalwald 14 Windenergieanlagen errichtet werden.

 

 

Zum Artikel „Bürger formulieren Sorgen und Bedenken“ vom 3.7.2024

Der NABU lehnt Windräder im Spitalwald ab: die Berücksichtigung des Artenschutzes ist dort gar nicht möglich. Über den Spitalwald verläuft der Vogelzug im Frühling und Herbst über viele Wochen tags und nachts. Zahlreiche Vogelarten nutzen diese Korridore, auch solche mit geringer Reproduktionsrate, bei denen schon der Verlust eines Einzelvogels Auswirkungen auf den Bestand hat. Sie fliegen oft auch in Rotorhöhe. Abschaltvorrichtungen können bei Vogelzug, abgesehen davon, dass sie an Waldstandorten unzuverlässig sind, gravierende Verluste nicht verhindern. Dazu kommt, dass das Gesetz „über die Zumutbarkeit“ erlaubt, Abschaltungen nicht zu betätigen, wenn der zu erwartende Ertrag (Energie oder Einnahmen) um 6% unterschritten wird, bei Zahlung an den Bund um 4%.

Auch seltene Brutvögel wie Pirol, Sperlingskauz und die lärmempfindliche Waldschnepfe werden nicht mehr brüten.

Im Spitalwald liegt ein Schwerpunktvorkommen von Fledermäusen. Alle Arten in Baden-Württemberg sind stark bedroht und durch Windkraftanlagen besonders gefährdet. Abschaltungen für Fledermäuse nur während etwa einer Stunde in der Dämmerung sind nicht ausreichend.

In der Region Stuttgart muss ein Flächenanteil von 1,8% für die Windkraft zur Verfügung stehen, es sind aber 2,4% der Fläche ausgewiesen - im Kreis Böblingen sogar 5,56%! Wenn einige von der Region Stuttgart geplante Vorranggebiete wegfallen, ist das vorgegebene Ziel trotzdem zu erreichen. Auch die Umweltministerin Thekla Walker hat mitgeteilt, dass nach Bearbeitung der Stellungnahmen zu den Vorranggebieten einige Flächen wegfallen werden.

Durch den Ausbau würde ein sehr artenreiches Ökosystem zerstört, in dem alle Arten in ihrer Funktion miteinander zusammenhängen. Je mehr Arten in einem System leben, desto leichter kann es sich an Veränderungen anpassen und die Folgen des Klimawandels abmildern.

Wir appellieren an die Stadt Herrenberg, zugunsten der weniger schädlichen vom NABU befürworteten Standorte in der Region auf die Bebauung des Spitalwaldes zu verzichten. Das massiv fortschreitende Artensterben ist eine genauso dramatische Krise wie der Klimawandel.

Sprecherteam NABU Gärtringen-Herrenberg-Nufringen

Dr. Ulrike Kuhn